Ochsen erweisen sich als Leckermäuler
Auf den guten Weiden Butjadingens war die Ochsenmast von alters her für die Bauern ein wichtiger Wirtschaftszweig. Dieses Thema hat die Arbeitsgruppe heimatkundliche Klönabend im Rüstringer Heimatbund nun einmal näher beleuchtet. Erwin Jürgens, Stollhamm, referiert über „Ochsenmast und Viehtrieb in vergangenen Zeiten.“ Auch die Gäste, unter ihnen zahlreiche Landwirte, lieferten Beiträge und Ergänzungen.
Es ist von der Natur so eingerichtet, dass etwa die Hälfte der Nachkommenschaft des Rindes männlich ist. Den Züchter stellt das vor ein Problem, denn er braucht im Grunde nur die weiblichen Tiere und von den männlichen nur wenige ausgewählte Exemplare. Die übrigen wurden meistens vor Eintritt der Geschlechtsreife geschlachtet – oder verschnitten, das heißt kastriert. Im Gegensatz zu den älteren Bullen lassen sich die gutwilligen Ochsen leicht führen, deshalb wurden sie früher oft als Zugtiere abgerichtet.
Unter besonders günstigen Bedingungen ließen sie sich aber auch mästen. Dabei waren starke Mastochsen sehr begehrt, denn ihr dunkelrotes Fleisch ist feinfasrig, zart, saftig und von hellen Fettadern durchzogen, die ihm ein besonderes Aroma verleihen. Es eignet sich sehr gut zum Einlagern. In früheren Zeiten wurden die besten Teile auch geräuchert. So blieb es lange haltbar und konnte dann als sogenanntes „Nagelholz“ verzehrt werden.
Aber Ochsen sind auch Leckermäuler. Nur wo ganz bestimmte schmackhafte und nährstoffreiche Gräser sich ansiedeln, kann die Mast zum Erfolg führen. Ochsenweiden brauchen eine besonders schonende Pflege und dürfen niemals gemäht werden. „Jeder Bauer achtete seine Ochsenweiden wie den Augapfel“, sagte Erwin Jürgens. Selbst das Tränkwasser musste von einwandfreier Qualität sein.
Nur wo diese Bedingungen erfüllt waren, ließ sich eine erfolgreiche Ochsenmast betreiben. Das war in weiten Gebieten des Stadlandes der Fall. In Butjadingen eigneten sich die Ländereien am Ufer der ehemaligen Heete, die Vorwerksländereien Roddens und Iffens, dazu das Bentingsche Vorwerksland zu Blexersande und die Atenser Mittelsände. Alte Bauern berichteten, dass die Ochsen auf Blexersande ein besonderes festes Fleisch und ein großes Rostbeef gehabt hätten.
Da für eine ertragreiche Ochsenmast die Nachzucht im Lande selbst nicht ausreichte, wurde im Frühjahr Magervieh aus entfernteren Gegenden zugekauft. Die zwei- bis dreijährigen Tiere mussten sich bei ihren Vorbesitzern bei Stroh und Wasser über den Winter hungern. Bei den ersten warmen Sonnenstrahlen ließ man die Tiere dann auf die Weide. Manche Tiere waren so schwach, dass sie beim Saufen in den Graben fielen. Aber in kurzer Zeit erholten sie sich und gingen nun ihrem Lebenszweck entgegen.
Zum Herbst war der Ochse „fertig“. Nur die wenigsten Tiere fanden ihren Abnehmer direkt vor Ort. Den anderen standen weite Märsche bevor. Vor 1846 mussten die Ochsen zu den Märkten nach Hamburg, Bremen, Hildesheim, ja sogar bis nach Berlin getrieben werden. Oft kauften risikobereite Bauern Ochsen auf und stellten dann einen Treck zusammen. Angeheuerte junge Männer trieben dann das Vieh zum Markt.
Die Situation änderte sich, als 1846 die Zollschranken für den Export von Hornvieh nach England aufgehoben wurden. Nun setzte ein lebhafter Handel ein, denn es wurde möglich, dass Vieh von den Häfen an der Unterweser aus mit Schiffen zu transportieren. Im Jahre 1865 wurden hier 13.000 Rinder und 12.000 Schafe verladen. Fettvieh erzielte in dieser Zeit Spitzenpreise. Als England dann im Jahre 1876 wegen drohender Seuchengefahr seine Grenzen für Viehimporte sperrte, hatte Nordenham schon seinen Bahnanschluss. Jetzt konnten auch weit entfernt liegende Märkte in Deutschland beschickt werden.
Der Butjadinger Ochsentriebweg von Eckwarden auf dem Mitteldeich entlang nach Nordenham behielt aber noch bis zur Inbetriebnahme der Butjadinger Bahn im Jahre 1906 seine Bedeutung.
Hans-Rudolf Mengers
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