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Eine Studienreise durch Butjadingen vor 140 Jahre

Im Jahre 1864, an einem schönen Frühlingsmorgen, unternimmt der 17-jährige Edo Meiners aus Golzwarden einen Fußmarsch durch die grüne Halbinsel Butjadingen. Seine Aufzeichnungen von den Orten, den Sehenswürdigkeiten am Wege, seine Gedanken und Empfindungen hält er schriftlich fest und veröffentlicht sie zwei Jahre später als Anhang zu seinem Buch: „Geschichte der der Kirche und Gemeinde Golzwarden.“

Meinhard Wefer aus Bockhorn ist diesen Aufzeichnungen nachgegangen. Mit zahlreichen alten und neuen Bildern gelang es ihm, die Reiseroute nach zirka 140 Jahren noch einmal vor dem historischen Hintergrund nachzuvollziehen. Für die vielen Gäste des Klönabends war es eine faszinierende Dokumentation.

Zunächst allerdings musste Meinhard Wefer feststellen, dass von dem jungendlichen Autor Edo Meiners nur sehr wenig bekannt ist. Er wurde im Jahre 1847 im Kirchspiel Golzwarden geboren und fühlte sich schon in jungen Jahren zur Schriftstellerei hingezogen. Dabei war er mit Sicherheit stark beeinflusst von Hermann Allmers, den er auch persönlich gekannt haben dürfte. Allmers wohnte schließlich nur einen „Katzensprung“ weit entfernt am jenseitigen Ufer der Weser und war zu der Zeit mit dem 1858 erschienenen „Marschenbuch“ in aller Munde.

Neben den oben schon genannten Werken veröffentlichte Edo Meiners nur wenig später seine Arbeiten über „Die Geschichte Anton Günthers (1867) und „Die Butjadinger im Kampf für Freiheit und Recht“ (1868). Sein bekanntestes Werk dürfte wohl „Die Kirchen des Stad- und Butjadingerlandes im Herzogtum Oldenburg“ sein, das 1870 erschien. Dann aber verliert sich seine Spur. Von 1876 bis 1878 soll er Redakteur der „Oldenburger Zeitung“ gewesen sein und danach als Auktionator gelebt haben. Mehr war vorläufig nicht in Erfahrung zu bringen.

„Die Reise nach der Küste von Butjadingen“ hat aus heutiger Sicht den Charakter einer Studienreise. Sie nimmt ihren Anfang im Herzen Butjadingens, in Stollhamm, wo Meiners die Nacht verbracht haben dürfte. Bereits am zeitigen Morgen macht er sich dann auf den Weg. Seine Aufzeichnung beginnt er mit den Worten:

„ … Die Sonne war bereits eine Strecke am Horizonte emporgestiegen und labte in anmutiger Wärme, an dem Grase spiegelten sich in allen Farben die Tropfen des erquickenden Thau’s; auch war der Sänger des Nordens, die Lerche, bereits vom Schlummer erwacht und grüßte aus hoher Ferne mit melodischem Gesang …“

Auf der soeben fertiggestellten Klinkerstraße erreichte er bald schon die kleine Ortschaft Mitteldeich und wenig später Burhave. Er ist hier voller Bewunderung für die vielen schönen Wohn- und Geschäftshäuser entlang der Dorfstraße und geht dann auf die alte Burhaver Wehrkirche näher ein, die er dem 13. Jahrhundert zuordnet. Besonders die groben Sandsteinmauern und die sehr kleinen Fenster fand er einer Erwähnung wert. Dem Leser wird schnell klar, dass es sich hier um den Vorgängerbau der heutigen Kirche handelt. Daran denkend, was mag diese alte Kirche wohl alles gesehen haben mag, schreibt Meiners:

„Hier dachte ich an den Freiheitskampf zwischen den Bremern und Friesen ums Jahr 1419, in welchem letztere, angeführt von dem Häuptling Lübbe Siebeths, die Kirche volle vier Wochen vertheidigten und den Thurm schleifen mußten“.

Dann nahm Meiners Abschied von Burhave und strebte nun dem Dorfe Fedderwarden mit seinem Hafen entgegen. Im dem 1823 gebauten Sielhafen herrschte wie gewöhnlich ein emsiges Treiben. Aber Meiners registrierte nicht nur das, sondern er genoss auch den Blick über das Wasser der Außenweser:

Die See in ihrer grünen Farbe schenkte einen erhabenen Anblick. In weiter Ferne über die Weser lagen die hannöverschen Dörfer Wremen und Insum, ferner Bremerhaven und diesseits der Weser Blexen. Erhaben ist ein solcher Anblick!

Von Fedderwardersiel aus marschierte Meiners auf dem Deich entlang in Richtung Langwarden, wo er um die Mittagszeit ankam. Hier betrachtet er auch wieder sehr genau die altehrwürdige Kirche, „ein Gebäude des Altertums“, in dem er eines der ältesten im Lande vermutet.

Im Inneren vermag er allerdings mit Ausnahme des Altars keine alten Gegenstände zu erkennen, da „dasselbe ganz neu umgeschaffen ist.“ Damit hatte er Recht, wenn auch die Umbaumaßnahmen schon 20 Jahre zurücklagen. Der Kirchturm war noch nicht vorhanden, auf dem „Kirchendache thront ein kleiner Dachreiter aus dem Jahre 1176“, wie er berichtet. Merkwürdigerweise erwähnt er aber nicht die alte Kröger-Orgel von 1651.

Im Vergleich zu Burhave bietet ihm der Ort selbst zunächst nur wenig Beachtenswertes aber dann registriert er den Friesenhügel, der seine Phantasie nun mächtig beflügelt. Hier zeigt sich nun, dass die heimatkundlichen Forschungen in jener Zeit noch in den Kinderschuhen steckten. Meiners findet keine rechten Antworten auf die Frage nach der Bedeutung dieser Erhebung. Und so vermutet er, die ganze Anlage sei ein Zufluchtsort bei Sturmfluten gewesen. Bestärkt fühlte er sich in dieser Annahme noch, weil ihm gesagt wurde, dass das Innere zur Erhöhung der Festigkeit mit Felssteinen angefüllt sei. Das Steinhaus dagegen kann er schon richtig zuordnen: 

„Neben dem gedachten Hügel steht ein jetzt mit der Pastorei verschmolzenes Gebäude im alterthümlichen Baustyl, mit hohen Mauern und kleinen Fenstern, sicherlich das ehemalige hier existierende Kloster.“

Insgesamt aber ist er von der Geschichte dieses Ortes sehr beeindruckt:

Langwarden hat sonach mehr dem Alterthume Angehörendes als Burhave aufzuweisen und zweifle ich nicht, daß dieses Dorf ehemals eins der hervorragendsten der Küste gewesen ist.

Da das Wetter beständig blieb, wanderte Meiners nun weiter den noch ungepflasterten Weg über Mürrwarden nach Ruhwarden. Über beide Orte hat er kein weiteres Wort verloren und auch über Tossens, das er als nächstes erreichte, schreibt er: Dies Dorf, ein Kirchdorf, hat wenig Denkwürdiges aufzuweisen. Einzig ein alter Grabstein (vermutlich die Grabstelle des 1594 verstorbenen Vogts Gert Stindt) findet noch ein verhaltenes Interesse. Mittlerweile dürfte er aber auch müde von der anstrengenden Wanderung und nicht deshalb mehr sehr aufnahmefähig sein.

Es ist spät geworden und es dämmert bereits, als Edo Meiners den Rückweg nach Stollhamm in sein Quartier antritt. Ob er nun den Weg über Iffens genommen hat oder über Mitteldeich, um hier wieder die Chaussee zu erreichen, geht aus den Aufzeichnungen nicht mehr hervor.

Müde aber voll innerer Genugtuung über das Erlebte erreicht er sein Quartier. Hier verfasst er wahrscheinlich noch am gleichen Abend seinen kleinen Reisebericht, der mit den Worten endet:

„Diese Reise, welche im schwachen Mondschimmer vollendet ward, kann, da ich bei diesem schwachen Lichte die Umgebungen nicht anschauen konnte, nichts zu melden übrig lassen. Was indeß noch wohl gemeldet werden kann, betrifft einen schönen kühlen Abend, matte Glieder, doch eine innere Freude, den Tag gesehen zu haben, der diese Heimathkunde schenkte.“

Hans-Rudolf Mengers

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