Das Wissen der Welt in 68 Bänden
Genau 3500 € musste der Rüstringer Heimatbund aufwenden, um den „Zedler“, das größte abgeschlossene Lexikon in deutscher Sprache, zu erwerben – freilich nur als Nachdruck. Die 68 in schwarzes Leinen gebundenen und mit dekorativer Goldprägung versehenen Bücher nehmen etwa vier Meter Regal ein und bilden einen optischen und geistigen Mittelpunkt in der Rüstringer Bibliothek.
Hans-Rudolf Mengers berichtete kürzlich beim heimatkundlichen Klönabend über dieses monumentale Werk, das zwischen 1732 und 1754 in Leipzig erschienen ist. Herausgeber war der 1706 geborene Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Zedler, ein junger, risikobereiter Mann, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, das größte Buchprojekt seit der Erfindung der Buchdruckerkunst in Angriff zu nehmen.
Natürlich konnte Zedler dieses Mammutprojekt nicht allein bewältigen. Er bediente sich dabei zahlreicher Mitarbeiter, die als Autoren für ihre Spezialgebiete wirkten. Ein verantwortlicher Hauptredakteur koordinierte schließlich die ganze Arbeit und gab die Einzelbände heraus. Der Verleger ging dabei ein hohes finanzielles Risiko ein. Für die Vorfinanzierung sollten hinreichend Subskribenten sorgen. Dabei betrug der Preis pro Band zwei Reichstaler. Das war recht kostspielig und entsprach etwa dem doppelten Monatsgehalt eines Handwerksgesellen. Für den niederen Stand kam eine solche Investition damit wohl nicht in Frage.
Zur Absicherung gegen Raubkopien ließ sich der Unternehmer Privilegien vom Kaiser und mehreren Reichsfürsten ausstellen. Urheberrechtsverletzungen waren so unter abschreckend hohe Strafen gestellt. Er selbst musste sich im Gegenzug verpflichten, den Fürsten mehrere Freiexemplare eines jeden Bandes zu liefern und beim Druck äußerste Sorgfalt walten zu lassen.
In einem immerhin 16 Seiten langen Vorwort werden einige der Probleme aufgeführt, mit denen es der Herausgeber zu tun hatte. Insbesondere wird das Fehlen aller Art von Wörterbüchern bemängelt. Es gebe kein Lateinwörterbuch und auch kein vollständiges Wörterbuch in deutscher Sprache heißt es, nicht einmal eine Sprachlehre, also eine Grammatik, sei vorhanden.
Neidvoll blickte er auf die Engländer und Franzosen, die solche Bücher bereits vorweisen konnten. „Wenn sich die Teutschen soviel Mühe als jene Fremden geben wollten, ihre Rede in ein beständiges Geschicke zu setzen“, beklagt Zedler einmal. Dazu erschien ihm die deutsche Sprache so uneinheitlich, dass sie kaum allgemeinverständlich war. Er habe schließlich dem Preußischen und Chur-Sächsischen den Vorzug gegeben, „weil sie für andere in Teutschland eine gute reine beschnittene Feder haben.“
Im Innenteil zeichnet sich das gesamte Werk durch besondere Sorgfalt in der Technik und Gestaltung aus. Der Druck ist zweispaltig und – wie versprochen – sehr sauber ausgeführt. Jeder Band beginnt mit dem ganzseitigen Stich eines Fürsten und endet mit einer schön gestalteten Schmuckvignette. Ansonsten sind Bilder aber nur sehr sparsam verwendet, abgesehen von gelegentlich eingefügten Tabellen und Skizzen. Für die Fürstenhäuser finden sich auch großformatig gefaltete Familienstammbäume.
Wenn in diesem Lexikon eine Information nicht auffindbar sein sollte, die in einem Werk dieser Epoche erwartet werden kann, dann hat es meistens gar keinen Zweck, anderswo nachzuschlagen. Manches findet man aber nicht so schnell, weil die Schreibweise von der heutigen abweicht: „China“ steht unter „Sina“, den „Kuckuck“ entdeckt man eher zufällig unter „Guckuck“ und „Butjadingen“ findet man erst, wenn man unter „Budjadingen“ nachschaut.
Der Rüstringer Heimatbund sieht in diesem Druckwerk eine sehr wertvolle Bereicherung seines großen Bestandes. Es ist das älteste, umfangreichste und wertvollste in der Abteilung der Enzyklopädien. Von besonderem Reiz ist bei diesem Werk die Sichtweise und der Stil der Autoren vor 250 Jahren. Wer das 18. Jahrhundert erforschen und verstehen will, dem kann dieses Universal-Lexikon ein wichtiger Schlüssel sein.
Hans-Rudolf Mengers
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