Zur Verlobung gab es Schnaps vom Schwarzmarkt
Kurz vor Weihnachten 1946 kam Philipp Fürst in Stollhamm an, um hier seinen Dienst als junger Polizeibeamter aufzunehmen. Noch standen die Menschen unter dem Eindruck des verlorenen Krieges, die Militärregierung hatte das Sagen im Lande und nur langsam begann sich das Leben zu normalisieren. Philipp Fürst selbst berichtete einmal beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes über seine Dienstzeit in Stollhamm.
Auch er selbst war Opfer jener Zeitverhältnisse, stellte Philipp Fürst zu Beginn heraus. Als 14-Jähriger war er zunächst zur See gefahren und wurde dann im Krieg Marinesoldat. Als er danach gerne die Seefahrtsschule besuchen wollte, um hier eine ordentliche Ausbildung zu bekommen, musste er erfahren, dass die Schule geschlossen war. Deshalb ging er nach Oldenburg und absolvierte dort eine Polizeiausbildung. So wurde er dann Polizeibeamter – aus Verlegenheit, wie er selbst sagte.
Nach einer kurzen Dienstzeit in Einswarden wurde er im Dezember 1946 nach Stollhamm versetzt, um hier den Kollegen Erwin Bähr bei seiner Arbeit zu unterstützen. Fast mittellos sei er in Stollhamm angekommen, erinnert sich Philipp Fürst, nicht mal ein Fahrrad habe er besessen. Unterkunft fand er in der Polizeidienststelle in der Schulstraße. Er erhielt ein kleines, bescheidenes Zimmer unter dem Dach, allerdings ausgestattet mit einem riesigen Bett aus echtem Mahagoniholz, das der Bauer Syasse Janshen gespendet hatte.
Sein Gehalt betrug 164,46 Reichsmark. Damit ließen sich keine großen Sprünge machen, zumal alle Waren des täglichen Bedarfs noch bewirtschaftet wurden und nur mit Bezugsscheinen zu erhalten waren. Es herrschte Mangel an allem. Und so blühten der Schwarzmarkt und der Tauschhandel. Ein Teil der Dienstgeschäfte drehte sich denn auch um die Verfolgung dieser Delikte.
Eine Auflistung der Vorkommnisse spiegelt die Not jener Tage wieder: Diebstähle von Wäsche, Wolle, Butter, Milchrahm, Wurst. Aber auch ganze Tiere kamen abhanden. Mehrmals wurde die Entwendung von Küken, Hühnern, Gänsen, Kaninchen und Schafen gemeldet, in einem schweren Fall sogar die Plünderung einer ganzen Räucherkammer. Auch die Beschaffung von Brennmaterial war für manche ein Problem, wie aus den Polizeiakten zu entnehmen ist.
Selbst wer einen Stall voll eigenem Vieh hatte, konnte darüber nicht etwa frei verfügen. Die Bestände unterlagen einer genauen Kontrolle und auch die Schlachtung für den Eigenverbrauch musste genehmigt sein. Natürlich versuchte man darüber hinaus „schwarz“ zu schlachten, was natürlich streng verboten war und von den Ordnungshütern verfolgt wurde, wenn sie davon Wind bekamen.
Daneben gab es aber auch den ganz gewöhnlichen Polizeidienst, zu dem beispielsweise die Verkehrskontrollen gehörten. Alle Wagen, die auf öffentlichen Wegen verkehrten, mussten mit einem Namensschild gekennzeichnet sein, und wer sein Gefährt etwa nur mit Kreide beschriftet hatte, wurde in die Pflicht genommen. Bei Fahrradkontrollen achteten sie besonders darauf, ob auch die Rückstrahler ordnungsgemäß angebracht waren. Gelegentlich gab es Schlägereien und andere Fälle von Körperverletzung. Auch in mehreren Unglücksfällen mit tödlichem Ausgang musste Philipp Fürst ermitteln.
Die Ordnungshüter mussten zwar die Gesetze und Vorschriften befolgen, resümiert er, aber sie hätten dabei auch manches Mal ein Auge zugedrückt, wenn Menschen aus Not handelten. Auch er selbst musste durch die Zeit kommen, und wenn er gelegentlich vom einem Bauern zu einem Sonntagsbraten gebeten wurde, so habe eine solche Einladung gern angenommen.
Zweieinhalb Jahre versah Philipp Fürst seinen Dienst in Stollhamm. Dann erhielt er im Mai 1949 seine Versetzung nach Dedesdorf, das damals noch oldenburgisch war. Kurz zuvor aber verlobte er sich mit einem Stollhammer Mädchen. Zur Feier dieses Ereignisses gab es übrigens Rübenschnaps – natürlich vom Schwarzmarkt.
Hans-Rudolf Mengers
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