Der Mutige sorgte für Gesprächsstoff
Für seine oft derben Scherze berüchtigt war früher Wilhelm Oltmanns aus Syuggewarden bei Burhave, weithin bekannt unter dem Beinamen „Der Mutige“. Auch Jolf Bielefeld, Nordenham, konnte sich gut an ihn erinnern. Er berichtete einmal über einige der Streiche dieses Butjenter Originals beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes.
Wilhelm Oltmanns erblickte am 10. Februar 1867 als Jüngstes unter vier Geschwistern in Syuggewarden das Licht der Welt. Nach der Schulzeit erlernte die Landwirtschaft und übernahm später den Hof seines Vaters. Hier wurde er ein erfolgreicher Bauer. Aus der Ehe mit seiner Frau Emma gingen sechs Kinder hervor. Er galt als klug und belesen, war dabei aber auch ein Mann von rechtem Schrot und Korn, wie Jolf Bielefeld ihn bezeichnete.
Bereits in der Schulzeit sei er durch seine Schelmereien, seinen Mutterwitz und Mut aufgefallen, und vielleicht trug er seit dieser Zeit schon auch seinen Beinamen. Später jedenfalls stellte er sich fremden Personen selbst gern mit dem Zusatz vor „der Mutige – ruhiger, angenehmer Mensch“. Trotzdem konnte vor seinen Streichen niemand sicher sein. Oft waren es seine Freunde aus dem Kegelklub „Annemarie“, die ihm auf den Leim gingen. Der Zahnarzt Dr. Meentzen, genannt Bernhard Schmerzensreich, gehörte mehrmals zu seinen Opfern.
So pochte Oltmann eines Nachts an die Tür des Zahnarztes. Er klagte über furchtbare Zahnschmerzen und bat seinen Freund, der im Schlafanzug in der Tür erschienen war, ihm in seiner Not zu helfen. Der wackere Mann trat beiseite und ließ den Mutigen eintreten. Der aber hatte es plötzlich sehr eilig, trat an dem verdutzten Doktor vorbei und ließ die Tür ins Schloss fallen. Der Ärmste stand nun draußen in Regen und Kälte, während sich der Mutige in das warme Bett des Junggesellen legte. Der mochte nun sehen, dass er in der Nachbarschaft ein Unterkommen fand.
Ein andermal war es der Zollaufseher vom Fedderwardersiel, der auf Wilhelm Oltmanns hereinfiel. Der kam nach durchzechter Nacht beim Morgengrauen am Haus des Beamten vorbei und sah zu, wie dieser gerade seine Hühner fütterte. Da nahm er seine Flinte, lud sie mit Platzpatronen und schoss mehrmals in den Hühnerhaufen, natürlich ohne Schaden anzurichten. Dem empörten Zöllner erklärte er aber, dass sein Gewehr wohl so verzogen sei, dass man unmöglich damit treffen könne. Der konnte das gar nicht glauben, besah sich den alten Schießprügel und bat, es doch selbst einmal ausprobieren zu dürfen. Nun wurde allerdings mit scharfer Munition geladen. Der Erfolg war frappierend, die Mehrzahl der Hühner blieb tot auf der Stelle liegen. Aber was sollte der Zöllner sagen? Schließlich hatte er das Unglück ja selbst verursacht.
Auch seine Jagdfreunde mussten gelegentlich seinen Schabernack erdulden. Einmal hatte einer von ihnen, der in der Parteipolitik sehr aktiv war, beim Nachhausegehen ein Paket Räucheraal in der Wirtschaft vergessen. Bis er die Nachlässigkeit aber bemerkte, hatten die anderen den Leckerbissen bereits verspeist. Schließlich kam der Knecht, um die Aale im Auftrag seines Dienstherrn abzuholen. Man gab ihm auch das entsprechende Päckchen mit. Zuhause aber erlebte die Gesellschaft eine böse Überraschung. Säuberlich eingewickelt fand man nur noch die Häute und dabei einen Zettel des Mutigen mit der Nachricht: „Ob demokratisch oder deutschnational, das war dem Schmoortaal ganz egal.“
Seinen Schalk bewahrte sich Wilhelm Oltmanns bis ins hohe Alter. Als nach dem Kriege die ersten Wahlen stattgefunden hatten, fanden sich am darauffolgenden Sonntag zufällig einige Leute auf der Straße vor dem Gasthaus zusammen, um über das Wahlergebnis zu diskutieren. Als eine Bekannte den in der Nähe stehenden Wilhelm Oltmanns fragte, was denn dort los sei, antwortete der, es sei heute Nachwahl angesetzt. Alle, die am vergangenen Sonntag falsch gewählt hätten, müssten nun hin und das noch einmal machen. „Oh, das ist gut, dass du mir das sagst“, entgegnete die Frau, „ich glaube nämlich, mein Mann hat auch verkehrt gewählt. Das muss ich ihm gleich mal sagen.“
Wenn er auch vielen Leuten einen Streich gespielt hatte, Feinde hatte er sich damit nicht gemacht. Im Gegenteil. In einer Zeit, als es noch nicht einmal selbstverständlich war, eine Zeitung zu halten, freute man sich über solche Ereignisse, man hatte etwas zu erzählen und zu lachen. „Das Dorf hat von seinen originellen Geschichten gelebt“, erklärte Jolf Bielefeld dazu.
Hans-Rudolf Mengers
NACH OBEN
|