RÜSTRINGER HEIMATBUND e. V.

 

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Verkommenes Subjekt wurde am Mitteldeich gehängt

Was ist dran an der alten Sage, der zu Folge ein junger Bösewicht im Jahre 1755 am Mitteldeich gehängt wurden? Dieser Frage war Hans-Rudolf Mengers nachgegangen und berichtete bei einem heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbunds. Ausgangspunkt seiner Nachforschungen war die von dem Waddenser Heimatforscher Wilhelm Lauw aufgeschriebene Sage „Der Galgenpfahl“. Lauw wiederum beruft sich dabei auf seine greise Mutter, die ihm von dieser Begebenheit berichtet hatte.

An einer der Kreuzungsstellen des Mitteldeichs, die noch heute den Namen Galgenpfahl führt, soll vor langer Zeit ein verkommener Sohn, mit Namen Tade Gerdes aufgeknüpft worden sein. Von Kind an war er ein Dieb gewesen, und seine eigene Mutter hatte ihn dazu abgerichtet. Kein Wunder, dass aus dem kleinen Dieb ein berüchtigter Gauner wurde, der die Schafe von der Weide stahl. So verfiel er dem strafenden Arm der Gerechtigkeit; man verurteilte ihn nach der Rechtsprechung damaliger Zeit zum Tod am Galgen.

Als er die Leiter hinaufgeführt wurde, bat er die Richter, seiner Mutter noch ein letztes Wort sagen zu dürfen. Man gestattete es ihm. Kaum aber hatte er sich zur Mutter geneigt, so biss er ihr ein Ohr ab. Verwünschungen wurden laut, die Leute wollten ihn erwürgen. Er aber rief: „Sie ist Schuld an allem, an meinen Taten wie an meinem Tode!“ Nun wandte sich die Wut des Volkes gegen das Weib. Männer und Frauen schleppten es fort und begruben es lebendig unter einem großen „Lehmbulten“.

Die Ermittlungen ergaben nun, dass dieser Tade Gerdes tatsächlich hingerichtet wurde, denn das Ereignis wurde im Stollhammer Kirchbuch festgehalten und ist vermerkt unter dem 11. März 1757. Der anwesende Pastor hielt nach der Hinrichtung die Erweckungsrede und vermerkt sogar die Textstelle, auf die er seine Worte gründet. Allerdings von Tode der Mutter ist hier nicht die Rede. Sie ist auch nicht gelyncht worden.

Das Stollhammer Pfarrarchiv gibt auch über die Familie Auskunft. Die Eltern waren ein aus Waddens stammender Witwer namens Tade Gerdes und die in Stollhamm wohnende Witwe Wübcke Harms. 1729 heirateten sie vor dem Stollhammer Pfarrer. Diese Wübcke brachte aus ihrer ersten Ehe bereits eine Tochter mit und hatte mit ihrem zweiten Mann zwei weitere Kinder, 1732 wurde der später hingerichtete Tade, zwei Jahre darauf noch eine Schwester geboren. Aber bald starb auch der dieser Mann und die Frau heiratete zum dritten Mal. Es folgten nun noch fünf weitere Geschwister, die auch alle in Stollhamm getauft wurden.

Noch einmal wird die Familie im Stollhammer Seelenregister von 1747 aufgeführt. Das weitere der Familie verliert sich nun leider im Dunkel der Geschichte. Vermutlich ist die Familie in das Blexer Kirchspiel verzogen. Hier sind weitere Nachforschungen anzustellen.

Der junge Tade hatte vermutlich von seinem Vater eine kleine Hofstelle in der Wisch geerbt. Allerdings war sie wohl verschuldet und er selbst saß im Gefängnis zu Övelgönne ein. Denn die nächste Nachricht ist eine Anzeige vom öffentlichen Verkauf dieser kleinen Hofstelle in den Oldenburgischen Nachrichten 1755. Schließlich erfolgt seine Hinrichtung 1757.

Der Referent musste einräumen bezüglich des Tade Gerdes noch längst nicht am Ziel zu sein. Noch wisse man nicht, was er sich Schlimmes hat zu Schulden kommen lassen. Wer waren seine Richter und wer seine Henker? Nicht einmal wo seine kleine Landstelle belegen war, habe man bis jetzt in Erfahrung bringen können. Er hoffe allerdings mit ein wenig Glück in der nächsten Zeit noch das eine oder andere in Erfahrung bringen zu können. Heimatforschung bleibe also ein spannendes aber auch mühseliges Geschäft.

Hans-Rudolf Mengers

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