RÜSTRINGER HEIMATBUND e. V.

 

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Oldenburg plante Landgewinnung in der Wesermündung

Die oldenburgische Staatsregierung förderte an der Außenweser die Gewinnung von Neuland und nahm dabei Widerstände der Schiffer und der Sielachten in Kauf. Über dieses bisher vielen Heimatkundlern unbekannte Thema berichtete Adolf Blumenberg einmal beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes in Stollhamm.

Die untere Weser war vor gut 200 Jahren ein träger Strom. Überall hatten sich Sandbänke gebildet, die sich für die Schifffahrt als sehr hinderlich erwiesen. Bis dahin begnügte sich die Bremer Bürgerschaft noch einer Fahrwassertiefe von vier Bremer Fuß (knapp 1,20 m). Aber schon wenig später hieß es, dass eine durchgehende Schifffahrt nicht mehr möglich sei. Erst die 1887 begonnene Weserkorrektion führte zu einer nachhaltigen Besserung der Verhältnisse.

Die Interessen des Agrarstaates Oldenburg waren ganz anders gelagert. In unzähligen Deichbauprojekten gewann man zurück, was das Meer sich einst genommen hatte. Fast zu einem Drittel besteht der Norden der Wesermarsch aus Neuland, dass nach 1500 am Jadebusen und an der Unterweser gewonnen wurde, stellte Adolf Blumenberg fest. Neu dagegen war für ihn, dass es auch Pläne gab, im Bereich der Außenweser Land zu gewinnen. Diese Erkenntnis gewann er, als er kürzlich im Staatsarchiv auf eine bisher kaum beachtete Akte stieß.

In ihr befand sich ein Schreiben der Gemeinden Blexen, Waddens, Burhave und Langwarden an die Staatsregierung aus dem Jahre 1875. Sie forderten, die Brücke über das Fahrwasser der Kleinen Weser nach Langlütjen zu entfernen. Beim näheren Studium erfuhr Blumenberg auch, dass es seit langem ernsthafte Pläne gab, die in der Wesermündung liegende große Sandplate der Kultur nutzbar zu machen. Deshalb wurden schon um 1850 Schlengen angelegt, die nicht nur den Weserstrom vom Deich fern halten, sondern auch die Landgewinnung fördern sollten.

Zwar befuhren die Seeschiffe schon damals das jenseitige Wurster Fahrwasser. Das Fahrwasser an der Küste Butjadingens wurde dagegen von vielen Leichtfahrzeugen genutzt. Der Hafenort Fedderwardersiel verdankte der Kleinen Weser seine Blütezeit, die Siele von Tettens, Waddens und Burhave waren für die Verschiffung von Getreide und Steinen von nicht minderer Bedeutung, solange es in Butjadingen keine Straßen gab. Also herrschte bis um 1861 auf dem Gewässer eine rege Betriebsamkeit.

Man ging davon aus, dass hier in absehbarer Zeit deichreifes Land gewonnen werden könnte. Nach erfolgtem Deichbau sollten die Siele nach außen verlegt werden. Die hohen Kosten dafür nahm man in Kauf, denn der Landgewinn sei eindeutig der größere Vorteil, argumentierte man. Dazu wörtlich: „Mit der Zeit sollen 5 bis 6.000 Jück durch Anwachs gewonnen werden“. Das war immerhin die sechs- bis achtfache Größe des Augustgrodens am Jadebusen – ein verlockendes, viel versprechendes Projekt.

Nachdem aber die ersten Schlengen gelegt waren, wurde die Passage in der kleinen Stromrinne merklich behindert. Schon bei halber Fluthöhe blieben die Fahrzeuge nun auf der Volkersen Schlenge sitzen. Als dann die Regierung in Berlin 1869 noch den Auftrag gab, die Wesermündung mit Verteidigungsanlagen zu sichern, entstand vor der Schlenge die künstliche Insel Langlütjen I. Natürlich musste wegen dieser Baumaßnahme die Schlenge erhöht und verstärkt werden, was den Verkehr noch mehr einschränkte. Völlig zum Erliegen aber kam der Schifffahrt wenig später, als über dem Durchschlag noch eine Brücke errichtet wurde.

Die Schiffer waren nun genötigt, von den Sielen aus den Langlütjensand zu umsegeln. Offenbar wurde der Brückenbau von der Bevölkerung noch ohne Murren hingenommen, weil dieses ja eine Sache der Landesverteidigung war. Aber nach dem siegreichen Krieg von 1870/71 wollte man wenigstens bei Hochwasser die Kleine Weser wieder nutzen können. Nach dem lange nichts in der Angelegenheit geschehen war, nahmen sich endlich im Juni 1875 die Gemeinden der Sache an und baten die Staatsregierung in dem oben genannten Antrag, mit dem Abbau der Brücke zu beginnen und bis September zum Abschluss zu bringen.

Die Regierung schob die Sache aber noch hinaus, weil Fachleute der Meinung waren, dass der Durchschlag durch das Herausnehmen der Brückenpfeiler Schaden nehmen werde. Es wurden in den nächsten Jahren sogar noch Gelder zur Unterhaltung der Anlage bewilligt. Schließlich setzte sich aber doch die Erkenntnis durch, dass auf Dauer auch das Entwässerungssystem der Sielachten Tettens, Waddens, Burhave und Fedderwarden Schaden nehmen werde, selbst wenn das für Burhave erst in 150 Jahren der Fall sein würde, heißt es dazu im Landtagsprotokoll.

Mit ihrem Antrag erreichten die vier Gemeinden Blexen, Waddens, Burhave und Langwarden zunächst, dass die Regierung in Aussicht stellte, die auf Kosten des Reiches angelegte Brücke abbrechen zu lassen, sobald dies die Witterung erlaube. Der Durchschlag aber blieb – mit dem Ergebnis, dass die Siele in Tettens, Waddens und Burhave nach und nach nicht mehr funktionsfähig waren und die Häfen vom Schlick zugedeckt wurden. Vom Deichbau aber war später nie mehr die Rede.

Hans-Rudolf Mengers

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