RÜSTRINGER HEIMATBUND e. V.

 

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Ladenschluss gab es nur am Karfreitag

Er hat es im Leben zu etwas gebracht, der Kaufmann Hinrich Tantzen, der viele Jahre in Seefeld eine umfangreiche Handlung betrieb. Aber der Erfolg war hart erarbeitet. Das geht aus seinen Lebenserinnerungen hervor, die er im Alter aufzeichnete. Dieter Auffarth aus Nordenham berichtete einmal darüber bei einem heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes.

Hinrich Tantzen wurde 1860 in Blexen geboren, aber bereits drei Jahre später verzog die Familie auf einen Bauernhof nach Niens. Von dort aus besuchte er die Volksschule in Langwarden. Als er aber nach drei Jahren in die Oberklasse versetzt werden sollte, machte der Vater nicht mit: Sein Sohn sollte nicht zu dem alten Lehrer, dem er nicht mehr viel Können zutraute. So musste der Sohn ein weiteres Jahr in der Unterklasse bleiben, bis im nächsten Jahr ein neuer Lehrer kam.

Seine unbeschwerte Jugendzeit ging früh zu Ende. Bereits im Alter von neun oder zehn Jahren zog man ihn zu den Arbeiten auf dem Hof mit heran. Morgens um vier Uhr musste er die Pferde von der Weide holen und dann beim Pflügen mit vier Pferden das vordere Gespann treiben. Um sechs Uhr kam eine Ablösung, denn er durfte ja nicht in der Schule fehlen.

1872 verzog die Familie nach Bärdeich. Von dort ging er nach Tettens in die Schule. Er genoss hier Unterricht bei einem tüchtigen Lehrer, dem er sehr viel verdankte, wie er selber schreibt. Bei ihm erhielt er zweimal in der Woche zusammen mit anderen Mitschülern kostenlosen Unterricht in der Abendschule, wozu allerdings jeder das nötige Talg- oder Stearinlicht mitbringen musste.

Nach seiner Schulentlassung 1874 kam er in die Lehre nach Burhave in ein Gemischwarengeschäft, verbunden mit Gast- und Schankwirtschaft. Hinrich Tantzen erinnert sich noch nach Jahrzehnten mit Verachtung an seinen Lehrherrn. Morgens um 5.30 Uhr aufstehen, den Laden fegen und Staub und Dreck beseitigen, Gläser abspülen in kaltem Wasser und das alles mit nüchternen Magen. Um 8 Uhr gab‘s Kaffee und Frühstück, dabei barsche, lieblose Behandlung.

Sein Schlafraum war auf dem Hausboden unter dem mit Brettern verschalten Ziegeldach. Wenn es im Winter stürmte und fror, wehte ihm manchmal sein Licht aus und sein Waschwasser war zugefroren. Ladenschluss kannte er nur am Karfreitag während der Kirchzeit, Freizeit und Urlaub gab es überhaupt nicht. Abends nach acht Uhr musste er in der Gaststube bedienen und dabei den Laden beachten. Zum Sitzen kam er nur bei den Mahlzeiten. Einmal im Jahr durfte er zu seinen Angehörigen nach Blexen – einen Tag hin und am nächsten zurück. Er wunderte sich später selber, dass er die Zeit überhaupt durchgestanden habe.

Nach Beendigung der Lehre kam er dann 1879 nach Seefeld in das Gebersche Geschäft. Hier herrschten gänzlich andere Verhältnisse und Tantzen schreibt erleichtert: „Da fing für mich das Leben erst an.“ Und als dann sein Chef 1882 das Geschäft verkaufte, hielt der junge Mann den günstigen Zeitpunkt für die Begründung einer eigenen Existenz für gekommen. Er kaufte mitten im Dorf ein Haus und eröffnete 1883 sein eigenes Geschäft. Hier war er so erfolgreich, dass er schon ein Jahr später heiraten und ein weiteres Jahr darauf ein neuen Haus erbauen konnte.

Sein geschäftlicher Erfolg brachte ihm auch auf anderen Gebieten Anerkennung. Hinrich Tantzen, der Zeit seines Lebens ein eifriger Turner war, hat 1881 in Seefeld den Butjadinger Turnerbundes mit aus der Taufe gehoben und diesem später, von 1913 bis 1919, auch vorgestanden. 1904 gründete er den Einkaufsverein der Kolonialwarenhändler mit. Und im 1. Weltkrieg übertrug man ihm schließlich die Verwaltung der Gemeinde Seefeld als Gemeindevorsteher, da der derzeitige Vorsteher „im Felde stand“. Danach übernahm er zu seinen anderen Ämtern und seinem großen Geschäft auch noch das Reichskleiderlager des Amtes Butjadingen.

Am 1. September 1919 verkaufte er dann sein Geschäft und siedelte nach Oldenburg über, wo er einen wohlverdienten ruhigen Lebensabend zu verbringen gedachte. Leider kam anders. Durch die Inflation wurde sein Vermögen praktisch entwertet und er sah sich gezwungen, wieder Arbeit anzunehmen. Bis zu seinem Tode 1941 versah er noch seinen Dienst im Rechnungsprüfungsbüro des Staatsministerium.

Hans-Rudolf Mengers

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