Der „Hundertjährige“ hat noch viele Anhänger
„Wenn der Maulwurf wirft im Januar, währt der Winter bis zum Mai wohl gar“, sagt eine alte Bauernregel. Schon immer haben eng mit der Natur verbundene Menschen, deren Wohl und Weh von der Witterung abhängt, das Wetter beobachtet. Von Wolken, Wind und Niederschlägen, selbst aus dem Verhalten der Tiere und Pflanzen, erhofften sie Hinweise auf die zukünftige Wetterentwicklung zu erhalten. Während heute computergestützte Wettervorhersagen als ziemlich sicher anzusehen sind, waren die Menschen früherer Zeiten meistens auf ihre eigenen Erfahrungen angewiesen.
Meinhard Wefer aus Bockhorn beschäftigte sich mit Wettervorhersagen auf Grund von Tierbeobachtungen und berichtete darüber einmal beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes. Er stellte fest, dass viele alte Bauernregeln und Wettersprüche oft einen durchaus ernsten Hintergrund haben, denn sie beruhen auf überlieferten Erfahrungen und guten Beobachtungen. Alle, die unmittelbar mit Tieren zu tun haben, wissen, dass diese einen sicheren Instinkt für Wetterveränderungen besitzen.
Dabei muss zwischen kurz- und langfristigen Vorhersagen unterschieden werden. Gutes Wetter kündigt sich an, „wenn Lerchen und Rotkehlchen hoch fliegen“ oder „Wespen und Hornissen abends nicht zur Ruhe kommen“ können. Schlechtes Wetter dagegen folgt, wenn „die Schwalben nahe am Boden fliegen und dabei beinahe ins Wasser eintauchen“. Springende Fische kündigen aufkommenden Sturm an, ebenso, wenn Möwen sich in Scharen im Lande aufhalten.
Der Laubfrosch findet bei feuchtem Wetter seine Nahrung am Boden, bei trockenem Wetter klettert er auf Bäume um die Insekten dort zu erlegen. Das machten sich findige Leute zunutze, indem sie einen solchen Wetteransager zu Hause in einem Glas hielten. Sobald er sich auf einer kleinen Stiege nach oben bewegte, versprach man sich davon gutes Wetter. In Butjadingen, wo es den Laubfrosch nicht gab, bemühte man stattdessen den Schlammpeitzger, den man in einem Aquarium hielt. Man nennt ihn auch Wetterfisch, weil er bei Luftdruckschwankungen, etwa vor einem Gewitter, sehr unruhig wird und ständig an die Oberfläche kommt.
Selbst heute noch fällt es den Meteorologen schwer, zuverlässige Langzeitprognosen zu erstellen. Es ist immer noch das Feld, auf dem sich Hellseher und Wahrsager tummeln. Sicherer war es allemal, sich an Binsenweisheiten zu halten: „Rufen Kuckuck und Frau Nachtigall, so ist der Sommer überall.“
Es traten – auch in unserer Gegend – immer wieder Scharlatane auf, die vorgaben, exakte Wetterprognosen erstellen zu können. Ein gewisser Dr. Overzier aus Köln gehörte auch hierzu, wie es in einem Aufsatz des „Landwirthschafts=Blattes für das Herzogthum Oldenburg“ von 1883 nachzulesen ist. Er verbreitete in ganz Deutschland, dass „man das Wetter auf die Stunde genau Monate lang vorhersagen könne.“ Sein kleines Heftchen erschien alle sechs Wochen und kostete eine Reichsmark. Es fand reißenden Absatz, da er anfangs mit seinen Prognosen zufällig richtig lag. Der tüchtige Geschäftsmann verdiente sich damit wohl „eine goldene Nase“.
Über einen längeren Zeitraum gesehen, hielten sich freilich richtige und falsche Prognosen die Waage. Sein Trick war auch, mehr negative als positive Prognosen abzugeben oder schwammige, unbestimmte Formulierungen zu verwenden. Seine Methode hatte viel Ähnlichkeit mit der des heute noch existierenden „Hundertjährigen Kalenders“. Es ist eine Tatsache, dass mehr über zutreffende Prognosen berichtet wird als über falsche Vorhersagen und demzufolge dann der Wetterprophet gelobt wird. Auch an dem „Hundertjährigen“ glauben heute noch viele Menschen.
Hans-Rudolf Mengers
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