Hans Hermann Francksen erklärt ungewöhnliche Namen
Deutungen von Orts- und Flurnamen führen oft in die Irre. Zu leicht bringt die Phantasie selbst einen seriösen Forscher auf Abwege und groß ist die Gefahr, jahrhundertealte Namen mit der heutigen Sprache erklären zu wollen. Kaum einer weiß das besser als Hans Hermann Francksen aus Oldenburg, der sich seit langer Zeit mit dieser Thematik beschäftigt. Über seine Erkenntnisse berichtete er beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes.
Vor einiger Zeit stieß er im Archiv des Rüstringer Heimatbundes auf den Nachlass des Oldenburger Obervermessungsdirektors Adolf Schmeyers (1874-1941). Der hatte es während seines ganzen Berufslebens mit Flurnamen zu tun gehabt. Und da er bei seiner Arbeit das Gelände als Gegenstand seiner Forschungen stets vor Augen hatte, war es ihm möglich, Vergleiche zu ziehen. Dabei fiel Schmeyers auf, dass die Namen für verschiedene Geländeformen wie fließende und stehende Gewässer, Sümpfe, Brüche und anderes mehr auf jeweils einen Ursprungsbegriff zurückzuführen waren.
Nach dem Studium von Schmeyers Arbeit sah sich Hans H. Francksen nun veranlasst, einige der von ihm früher selbst vorgenommenen Deutungen in Frage zu stellen oder noch weitere Möglichkeiten aufzuzeigen. Ein Beispiel dafür ist der des Gehöftnamen Melkschap bei Iffens. Schmeyers schrieb, dass Orte, die auf „Molk“ oder „Melk“ lauten, in der Regel auf eine alte Gerichtsstätte zurückzuführen sind. Auf althochdeutsch hieß der Versammlungsort „mahal“ (= Mal), wo unter einer „eke“ (= Eiche) Recht gesprochen wurde.
Mahal ist im Verlaufe von tausend Jahren zu „moil“ geworden, so dass in Verbindung mit „eke“ die Bezeichnung „Moileke“ für eine Gerichtsstätte entstand. Im weiteren Verlauf ist Moileke zu Molke oder Melke verschlissen. In Oldenburg weist die Straße Melkbrink auf eine solche alte Gerichtsstätte hin. Möglicherweise können die Verhältnisse auch auf Butjadingen übertragen werden können. Der Name Melkschapp würde dann in einem ganz anderen Lichte erscheinen, wobei auch der Begriff „schap“ neu zu definieren wäre.
Adolf Schmeyers weist in einer seiner Arbeiten nach, dass fließende Gewässer oft Namen wie „Ganne“, „Gonne“ oder „Gönne“ führten. Gelegentlich ist aus dem „G“ aber ein „K“ geworden. Als Beispiel nennt er Conneforde, wo man die Gonne auf einer Furt (= forde) überquerte. Auch bei dem Bach, der Wasser aus dem Strückhauser Moor zur Weser leitete, könnte man von einer „Gönne“ gesprochen haben. Ovelgönne wäre danach eine kleine Siedlung jenseits („över“) der Gönne gewesen, in deren Nähe die Oldenburger Grafen dann nach 1514 ihre Burg bauten.
Später gab man dem Bach den noch heute geläufigen Namen Dornebbe. Verfolgt man den Lauf der Gönne weiter bis in die Nähe der Weser, so könnte sich der Fluss in zwei Mündungsarme gespalten haben. Aus dem plattdeutschen Wort „klöven“ (= spalten) dürfte sich der Name KlövGönne ergeben haben, was in späterer Zeit später zu Klippkanne verformt wurde.
Esenshamm heißt in der ältesten Aufzeichnung (1220) Esmundeshem. Während Generationen von Namensforschern dies mit einem Personennamen in Zusammenhang gebracht haben, zählt Schmeyers Begriffe wie „ese“, „ase“ und „ahne“ zu den Gewässernamen. In Verbindung mit „mund“ (= Mündung) und „hem“ (= Heim) könnte Esmundeshem auch als das Dorf an der Mündung der Ese erscheinen. Dazu muss man wissen, dass das Stadland vor der MarcellusFlut (1219) von mehreren Nebenarmen der Weser durchzogen wurde. In einen davon mündete die Ese, deren Name dann im heutigen Esenshamm nachklingt.
Zu Esenshamm gehört die Ortschaft Butterburg. Mit Butter hat der Name aber nichts zu tun. Statt dessen bieten sich zwei andere Möglichkeiten der Deutung an: Das Stadland war einst vom Stadlander Landdeich umgeben. Die Butterburg könnte wohl außerhalb dieses Deiches gelegen haben und deshalb als „Buterborg“ bezeichnet worden sein. Zum andern liegt Butterburg nicht weit vom Utergadinger Tief, an dessen Ufer auf der Hoskenwurt der Häuptling Husseke Hayen (um 1380) seinen Wohnsitz hatte. Es ist bekannt, dass er vorbeiziehende Schiffe ausraubte und sich gelegentlich auch mit anderen Seeräubern zusammen tat. Seeräuber nannte man hier „Büter“ (vergl. Freibeuter). Der Gedanke erscheint also nicht abwegig, dass der Ort Büterborg genannt worden ist, weil sie den Seeräubern Unterschlupf bot.
Wieder einmal erwies sich die Namensforschung als spannende Quelle der Geschichtsforschung. Hans H. Francksen zeigte sich im übrigen von den Arbeiten Schmeyers’ sehr beeindruckt und bezeichnete die Veröffentlichung seiner wichtigsten Arbeiten als eine lohnenswerte Aufgabe für den Rüstringer Heimatbund.
Hans-Rudolf Mengers
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