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Friesensalz wurde auch am Jadebusen gewonnen

Das Salz hat es ihm angetan. Als Philipp Fürst davon hörte, dass sich die Menschen an der Nordseeküste mit der Salzsiederei ein Zubrot verdienten, gab es unter den Heimatfreunden noch viele Zweifler, denn es fehlten zuverlässige alte Quellen darüber. Aus dem Nordseewasser allein ließ sich kein handelsfähiges Salz gewinnen, dazu war der Aufwand zu hoch, denn der Salzanteil beträgt nur 3,3 Prozent.

So gingen denn die Überlegungen auch in eine ganz andere Richtung: Nicht aus dem Wasser wurde das Salz gewonnen, sondern aus Torf, der mit Salz angereichert war. Wo aber war dieser Torf gegraben worden, und wo standen einst die Siedereien? Fraglich war auch, ob Geländenamen wie Sölthörn und Salzenweg (bei Seefeld) ernst zu nehmende Hinweise sein könnten.

Philipp Fürst nahm sich vor, Licht ins Dunkel zu bringen und diesen Fragen nachzugehen. Und da er immer schon ein Mensch war, der gern praktische Erfahrungen machte, zog er an einem schönen Sommertag des Jahres 1982 an den Rand des Sehestedter Moores, um Salztorf für seinen Versuch zu gewinnen. Fünf Eimer voll brachte er davon zurück, das waren 50 Pfund. Zuhause breitete er den Torf aus, stampfte ihn so lange mit den Füßen, bis er geschmeidig war und ließ ihn dann an der Sonne trocknen. Das dauerte eine ganze Weile, obwohl er mit dem Wetter noch Glück hatte.

Schließlich schien der Torf trocken genug, um ihn anzünden zu können. Aber „de Schiet wull nich brennen“, erinnert sich Philipp Fürst und es räucherte so erbärmlich, dass im weiten Umkreis die Fenster geschlossen werden mussten. Aber schließlich gelang es doch und am Ende blieb ein kleiner Haufen Asche zurück, Asche, in der sich das Salz befinden musste. Wieder fuhr Philipp Fürst an den Deich und besorgte nun 50 Liter Seewasser. Er warf die Asche hinein und wartete, bis das Salz sich gelöst hatte. Dann goss er die ganze Brühe durch ein Melksieb und anschießend durch ein Feinsieb mit Kaffeefilter.

Diese Salzlauge kam anschließend in einen Waschtopf. Zehn Stunden lang musste er das Wasser am Kochen halten, dann endlich war alles verdampft. Zurück blieb eine gelblich-weiße Decke: Salz aus Salztorf, Friesensalz. Die Kruste wurde kaputtgekloppt und nun konnte Philipp Fürst Bilanz ziehen: Aus 50 Pfund Torf und 50 Liter Wasser hatte er fünf Pfund Salz erhalten, außerdem war er 50 Kilometer gefahren und hatte zirka 50 Stunden und eine Menge Brennholz investiert. 50 DM hätte er für ein Pfund Salz haben müssen, sinniert er heute.

Nachfolgende Laboruntersuchungen ergaben, dass neben dem Kochsalz auch andere Salze festgestellt wurden, vor allem ein hoher Anteil an Magnesiumsulfat. Deshalb schmeckte sein Salz etwas bitter. Es hätte sich daher gut zum Einpökeln von Fisch und Fleisch geeignet, weniger aber für Speisen oder zur gar zur Herstellung von Butter, meinte Philipp Fürst. Auch früher war es in Qualität und Preis der feineren Lüneburger Ware unterlegen gewesen. Gleichwohl aber fand es stets seine Abnehmer.

Den Nachweis für die Gewinnung von Friesensalz hatte Philipp Fürst damit geliefert, zugleich aber auch die Probleme aufgezeigt. Der Abbau von Salztorf war mit einem Raubbau an der Natur verbunden. Die Entnahme des Bodens im Deichvorland dürfte die Küste zusätzlich gefährdet und das Vordringen des Meeres erleichtert haben, ganz abgesehen von der enormen Rauchbelästigung durch das Verbrennen des feuchten Torfes.

Mit dem 30-Jährigen Kriege endete in weiten Teilen Norddeutschlands schließlich die Salzgewinnung, nachdem sie einige Jahrhunderte lang den Menschen ein bescheidenes Zubrot geliefert hatte. Und aus Schleswig-Holstein war zu erfahren, dass dort im Jahre 1782 die letzte Salzbude von Amts wegen aufgehoben wurde. Mit der Zeit geriet sogar das Herstellungsverfahren in Vergessenheit.

An vielen Stellen hatte der Torfabbau Spuren hinterlassen, nur mussten sie auch richtig gedeutet werden. Als 1989 – sieben Jahre nach den Versuchen – bei Erdabbauarbeiten in Diekmannshausen einen halben Meter unter der Oberfläche gitterförmig angeordnete Torfstreifen gefunden wurden, da hatte man schnell eine Erklärung. Die Streifen waren die stehen gebliebenen Reste einer einst durchgehenden Torffläche. Zum Teil wurden auf ihnen die abgegrabenen Torfsoden zum Trocknen gestapelt, zu anderen dienten sie als Transportwege.

Leider fand man aber auch hier nicht die Feuerstelle der Salzsiederei. Trotzdem aber waren die Beweise eindeutig, denn ähnliche Funde kannte man inzwischen auch von der holländischen und der schleswig-holsteinischen Küste. Nun kamen auch die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gefundenen Kulturspuren auf den Oberahneschen Feldern im Jadebusen wieder ins Gespräch. Waren diese zunächst als Pflugspuren gedeutet worden, so geht man heute davon aus, dass es sich auch hier wohl eher um Zeugnisse des Torfabbaus handelt.

Wenn wir heute über die Salzgewinnung an der Nordseeküste wieder mit einiger Sicherheit Bescheid wissen, so ist das auch dem Erkenntnisdrang eines Heimatfreundes wie Philipp Fürst zu verdanken.

Hans-Rudolf Mengers

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