Eingedeichtes Land wird Herrenland
Als nach der Eroberung des Stad- und Butjadinger Landes 1514 die Grafen von Oldenburg mit weiträumigen Eindeichungen begannen, schlugen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Das zerrissene Land sollte wieder zusammenwachsen und es entstanden neue Wirtschaftsflächen in beträchtlichem Umfang. Wem aber gehörten diese Ländereien, zu deren Entstehung die Einwohner nach dem alten Deichrecht herangezogen wurden?
Die Herrschaft machte kurzen Prozess und beanspruchte alles neugewonnene Land für sich, ohne Abfindung oder Entschädigung, versteht sich. Gerold Bartels aus Seefeld hat sich mit diesen Vorgängen näher beschäftigt und berichtete darüber vor einiger Zeit beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes.
Der Graf verfährt mit seinen neuen Besitzungen zweigleisig. Etwa die Hälfte nimmt er in die eigene Bewirtschaftung und bildet hieraus große Güter, die sogenannten Domänen, das übrige Land wird parzelliert und verpachtet. Nach welchen Kriterien dabei vorgegangen wurde, war für Gerold Bartels nicht mehr nachzuvollziehen. Auffallend aber ist, dass das Gebiet im alten Lockfleth weitgehend in Domänen umgewandelt, während der Jader Raum in der Friesischen Balje zum größten Teil zu Meierrecht verpachtet wurde.
Eine solche Pachtstelle von etwa 40 Jück (zirka 20 Hektar) Größe nannte man eine „volle Bau“ und den Bewirtschafter einen „Vollmeier“. Aber es gab auch halbe und sogar viertel Bauen mit entsprechend kleinerer Wirtschaftsfläche. In der Regel errichtete der Pächter das Haus selber. Es blieb auch sein Eigentum und konnte vererbt oder bei Aufgabe der Pacht verkauft werden. Der Pächter einer vollen Bau war also „Hausmann“. War die Pachtfläche nur sehr klein, so nannte man ihn Landköter, wobei das wenig schmeichelhafte Wort „Köter“ von „Kate“ abgeleitet ist.
In seinem Rechtsverhältnis war der Meier ein Erbpächter. Bei seinem Tode konnte ein Erbberechtigter die Pacht fortsetzen. Allerdings musste er sich den Wechsel bestätigen lassen, was natürlich mit einer Gebühr verbunden war. Der sogenannte Weinkauf betrug pro Jück immerhin 2 Taler, so dass für den ganzen Hof bei jedem Wechsel 80 Taler fällig waren, was dem Wert von acht Kühen entsprach. Als jährliche Erbpacht entrichtete er den „Zehnten“, also 10 Prozent der Getreideernte, hinzu kam noch die normale Abgabe, nämlich der dritte Teil, so dass dem Bauern gerade mal 60 Prozent der Ernte blieb.
Aber das war längst noch nicht alles! Von den übrigen Einkünften musste die gräfliche Küche bedient werden: So lieferte man Zinsschweine, Gänse und Hühner zu bestimmten Tagen ebenso pünktlich ab wie Butter, Eier und sogar Brenntorf. Hinzu kamen die öffentlichen Leistungen, die zu erbringen waren, wie den Deichunterhalt, die Arbeiten am Sieltief, an Wegen und Pfaden. Darüber hinaus waren auf den Vorwerken Hand- und Spanndienste zu leisten.
Diese riesigen meist mehrere hundert Hektar großen Betrieben hatten, um Kosten zu sparen, meistens nur einen Verwalter. Sämtliche Arbeiten mussten deshalb von der übrigen Bevölkerung getragen werden. Dazu gehörte das Füttern, Melken und Misten des Viehs im Winter ebenso wie die Land- und Erntearbeit im Sommer. Seit der Zeit des Grafen Anton Günther konnte diese Form der Fronarbeit jedoch in eine jährliche Abgabe umgewandelt werden. Davon machten diejenigen, die es sich leisten konnten, gerne Gebrauch, mit der Folge, dass die übrigen nun noch mehr belastet wurden.
Häufig war die Viehbestand auf den Vorwerken so groß, dass die Ställe ihn nicht aufnehmen konnten. Dann wurde das Vieh einfach den Bauern in Pension gegeben, natürlich unentgeltlich. Nicht einmal die Milch durften sie behalten, die war, zu Butter verarbeitet, beim Vorwerk abzugeben. Versteht sich, dass dieses „Herrenbeest“ auch die beste Pflege bekam.
Sollte nun jemand seinen Pflichten nicht pünktlich nachkommen, so war man mit der Strafe schnell bei der Hand. Wer etwa minderwertige Ware ablieferte, den schloss man für einige Zeit in das Halseisen, wo er den Spott der Mitmenschen erdulden musste.
Hans-Rudolf Mengers
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