Die Wahlbeteiligung betrug nur fünf Prozent
Man stelle sich vor: Es ist Wahl, aber keiner geht hin. So ähnlich muss man sich die Situation vor gut 150 Jahren im Großherzogtum Oldenburg vorstellen, als 1848 zum ersten Mal Wahlen für einen Landtag stattfanden. Heddo Peters aus Esenshamm hatte sich mit den Protokollen des Landtage zwischen 1848 und 1853 beschäftigt und berichtete darüber einmal beim Heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbundes .
Obwohl sich die Bevölkerung seit Jahrzehnten sehnlichst wünschte, an der Regierung des Staates beteiligt zu werden, waren diese ersten Wahlen doch von heftigen Protesten begleitet. Sie fanden ihre Ursache in dem als ungerecht empfundenen Wahlgesetz. Das Wahlrecht war stark eingeschränkt, denn es durften nur Männer wählen, die Besitz vorweisen konnten und zudem noch über 25 Jahre alt waren. Alle anderen Personen, und dazu zählten auch die Frauen, waren von der Wahl ausgeschlossen. Kein Wunder also, dass die Wahlbeteiligung nur fünf Prozent betrug
Als am 1. September 1848 endlich der „Vereinbarenden Landtag“ zusammentrat, um eine Verfassung zu beraten, bildete Oldenburg damit das Schlusslicht unter den deutschen Staaten. Allerdings gingen die Verhandlungen rasch voran und bereits am 12. Februar des nächsten Jahres konnte die Verfassung, die deutlich liberale Züge trug, wie Heddo Peters anmerkte, verabschiedet werden.
Zum ersten Mal hatte nun eine gewählte Volksvertretung Mitwirkungsrechte bei den wichtigen politischen Entscheidungen. Außerdem waren die Minister des Staatsministeriums dem Landtag rechenschaftspflichtig, und der Landtag hatte das Recht, Anklage gegen Minister zu erheben. Tagungsort war übrigens der Saal in der 1838 erbauten Militärakademie am Pferdemarkt. Allerdings hatte Großherzog Paul Friedrich August schwer daran zu tragen, dass er seine bislang alleinigen Rechte nun mit jemandem teilen musste. Das führte des Öfteren zu unüberwindlichen Gegensätzen. In solchen Fällen machte der Fürst kurzerhand von seinem Recht Gebrauch, den Landtag zu „vertagen“, wie man sagte, ihn aufzulösen und nach Hause zu schicken.
Erbittert gestritten wurde im Landtag immer dann, wenn es um den Staatshaushalt ging. Dazu gehörten auch die Verhandlungen über die Einkünfte des Großherzogs. Ein anderer Streitpunkt jener Tage war der geplante Beitritt Oldenburgs zum sog. „Berliner Bündnis“. Zweimal lehnte der Landtag den von der Regierung vorgelegten Vertragsentwurf ab und wurde deswegen aufgelöst. Schließlich unterzeichneten Vertreter der Regierung ihn allein – ohne die Zustimmung der Volksvertreter.
Es war noch ein schwieriger Weg zur Demokratie, aber die Volksvertreter ließen sich durch solche Vorkommnisse nicht entmutigen und haben trotzdem unglaublich fleißig gearbeitet, wie Heddo Peters feststellte. Allein der konstituierende Landtag, brachte es vom 1.9.1848 bis zum 13.2.1849 auf über 100 Sitzungen. Die Abgeordneten kamen fast täglich zusammen.
Bereits damals wurden die Redebeiträge mitsamt Zwischenrufen und Anmerkungen protokolliert Alle Protokolle, Berichte und Anlagen wurden sodann von einem Redaktionskomitee unter Vorsitz des Schriftführers zusammengestellt und – so rasch es ging – zu Stalling gebracht und dort im Schnellpressendruck in größerer Anzahl vervielfältigt. Anschließend wurden sie den Abgeordneten zugestellt.
Doch nicht nur die Abgeordneten erhielten gedruckte Exemplare der Protokolle und Anlagen, auch interessierte Mitbürger oder Amtsträger konnten diese Drucke erwerben. Im Archiv des Rüstringer Heimatbunds befinden sich viele alte Protokollblätter mit dem handschriftliche Vermerk: „HKspVogt Franksen Ruhwarden“. Es ist anzunehmen, dass diese Exemplare damals über die Verkaufsstelle Holthusen in Tossens dem Kirchspielvogt Francksen zugestellt wurden.
Abschießend ging der Referent auch auf die speziellen Butjadinger Anliegen jener Zeit ein. Häufig wiederkehrendes Thema war der Straßenbau. Auch hier gab es viel Zündstoff. Man stritt nicht nur um die zukünftige Trassenführung, sondern auch über Notwendigkeit der Anlage von Straßen überhaupt. Straßenbau war ein kostspieliges Unterfangen: Immerhin schätzte man die Kosten eine feste Verbindung zwischen der Geest und Butjadingen auf bis zu zwei Millionen Taler. So einigte man sich zunächst erst einmal auf 30.400 Taler für eine Teilstrecke von Fedderwardersiel bis Burhave.
Beschlossen wurde auch die Bedeichung des Seefeld-Stollhammer Außengrodens. Die veranschlagten Kosten beliefen sich hier auf 128.000 Taler, die hauptsächlich aus dem Verkauf von Staatsgütern beschafft werden sollten. Der Deich wurde dann in den Jahren 1853/1854 gebaut, nachdem die Regierung zuvor festgestellt hatte, er würde den weiteren Anwuchs auf der Ostseite des Jadebusens fördern, und außerdem sei die Bedeichung volkswirtschaftlich und finanziell durch zu erwartende Pachteinnahmen sehr vorteilhaft.
Weniger erfolgreich waren die Schulmeister, die 1853 ihre Berufskollegen Hinrichs aus Esenshammergroden und Busch zu Enjebuhr nach Oldenburg entsandten, um dort auf die miserable Bezahlung aufmerksam zu machen. Die beiden trugen vor, dass die Einkommen in den kleinen Schulen zum Lebensunterhalt nicht mehr ausreichten. Die Lage sei umso drückender, als die Lebensbedürfnisse der Lehrer sich gesteigert hätten, „die Befriedigung derselben aber immer teurer werde.“ Die Abgeordneten zeigten zwar großes Verständnis, sahen sich aber außerstande, hier zu helfen, da ihnen nötiges Zahlenmaterial fehle.
Hans-Rudolf Mengers
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