Uneheliche Kinder gab man dem Vater
In Eckwarden Kirchenarchiv befindet sich eines der ältesten Kirchbücher in Butjadingen. Neben den familienkundlichen Daten enthält es auch vielerlei Hinweise, die für den Heimatforscher von Interesse sind. Hans Hermann Francksen aus Oldenburg hat dieses Buch komplett abgeschrieben und berichtete einmal darüber beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbunds.
Das Kirchenbuch wurde 1578 angelegt und die Eintragungen enden 1633. Allerdings bei näherem Hinsehen erscheinen die Aussagen bis zum Jahre 1607 ziemlich unbrauchbar. Bei Geburten wird allein der Name des Vaters genannt mit dem Zusatz: „Kind geboren“ oder „Kind getauft“. Es fehlen also sowohl der Name der Mutter wie vor allem Taufname und Geschlecht des Kindes. Bei Sterbefällen steht hinter dem Namen des Haushaltsvorstandes: „seine Frau gestorben“, „sein Kind gestorben“, oder auch: seine Mutter, sein Knecht, Magd oder sonst eine Person, die unter dem Dach seines Hauses wohnte. Den Namen des Verstorbenen erfährt man nur in Ausnahmefällen. Ein Heiratsregister fehlt gänzlich.
Ab 1607 werden die Register brauchbarer: Bei Geburten sind jetzt auch die Namen der Mutter und des Täuflings genannt, zeitweise sogar die Paten. Leider ist aber nicht immer zu erkennen, ob es sich bei dem Täufling um einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Ursache dafür ist der Umstand, dass die Bücher von Küstern oder Pastoren geführt wurden, die nicht aus dem Lande stammten und denen deshalb das hier gebräuchliche Plattdeutsch fremd war. So schrieb man alle Namen so auf, wie man sie aus dem Munde der Leute verstand. Da wurde denn eine Tochter Ippe leicht zu Eppe, was aber ein männlicher Vorname war. Andere Namen wie z.B. Acke, Meine, Heike und Siode wurden in einigen Regionen Butjadingens an Jungen vergeben, in anderen Gegenden aber an Mädchen.
Uneheliche Geburten gab es zu jener Zeit übrigens recht häufig. Was diese unehelichen Kinder betrifft, scheinen allerdings recht merkwürdige Zustände geherrscht zu haben. Alles deutet darauf hin, dass uneheliche Mütter, die keine Möglichkeit sahen, ihr Kind bei sich zu behalten, dies dem Vater ins Haus brachten. Sollte er doch sehen, wie er damit zurecht kam. Die Sterberate gerade bei diesen Kindern war denn auch erschreckend hoch. Aufmerksam auf diese Sitte wurde Francksen durch die gelegentlich im Kirchenbuch zu findende Formulierung, die Mutter habe ihr Kind einem von ihr benannten Vater „gegeben“.
Dass in damaliger Zeit rauhere Sitten herrschten als heutzutage, ersieht man daraus, dass in den zwanzig Jahren zwischen 1580 und 1600 in Eckwarden mindestens 6 Totschläge geschahen, einer davon allerdings in Oldenburg. Gerd Bümmerstede, der 1595 vermutlich Verwandte in seiner alten Heimat besuchte, wurde bei dieser Gelegenheit erschlagen. Vielleicht hat er sich bei den armen Geestleuten zu sehr als neureicher Marschbewohner aufgespielt.
Das Thema Geburts und Sterbeeinträge beschloss Hans Hermann Francksen mit einem Vermerk, den der Küster im Jahre 1594 machte. Er hatte über mehrere Jahre hin alle Geburten und Sterbefälle zusammengezählt und war zu dem Ergebnis 909 zu 591 gekommen. Das ergab einen Geburtenüberschuss von 318. Diese Zahl sei überraschend, meinte Francksen, weil doch allgemein die Meinung herrscht, in Butjadingen habe zu allen Zeiten die Sterberate über der Geburtenzahl gelegen. Francksen vermutet, dass die lebensfeindlichen Zustände erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts eingetreten sind und sich im 18. Jahrhundert weiter verschlimmert haben.
Küster Egbert van Langen, der das Eckwarder Kirchenbuch führte, hat neben dem Register über die kirchlichen Handlungen auch Eintragungen über Wettergeschehen und bemerkenswerte Vorkommnisse in der Gemeinde vorgenommen. Im August 1596 weiß Küster van Langen zu berichten, man habe drei Meerschweine gefangen. So nannte man damals die Tümmler, eine Delphinart.
Hans-Rudolf Mengers
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